Auswertung des International Cosmic Day 2023 am Gymnasium Villa Elisabeth

Auch dieses Jahr haben die Schüler des Physikkurses aus der 11. Klasse am ICD (International Cosmic Day) teilgenommen bzw. diesen . Mit materieller Unterstützung vom DESY-Forschungszentrum (Zeuthen) haben wir uns am 20.11.2023 mit Theorie zu Kosmos, Teilchenphysik und spezielle Myonen sowie dem Aufbau von Versuchen auf den eigentlichen ICD am nächsten Tag vorbereitet. Einige Messungen vom Vortag wurden dann noch fortgesetzt, andere neu angesetzt und schließlich ausgewertet und zur Präsentation im internationalen Video Call vorbereitet. Einige Experimente laufen sogar noch bis zu den Weihnachtsferien.

Der Montag begann also für den Grundkurs Physik der 11.-Klässler mit einem Crashkurs in Teilchenphysik, ausgestaltet von Alumni des ICD im Vorjahr, Dorian P., Ben E., Asmar M. und Sven K. Das sich am ICD alles um Myonen dreht, wurde hier u.a. erstmal erklärt, was Myonen sind, wo sie entstehen und was man damit anfangen kann. Es handelt sich dabei um negativ geladene Teilchen, die mit den Elektronen verwandt sind und u.a. als Sekundärstrahlung entstehen, wenn kosmische Strahlung auf die Erdatmosphäre trifft (Abb. 8). Da die Teilchen aus hochenergetischen Zusammenstößen resultieren, sind sie selbst sehr energiereich und haben fast Lichtgeschwindigkeit. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit anderer Materie in Wechselwirkung treten und abgebremst werden gering, so dass sie problemlos z.B. Gebäude durchdringen und auch noch weit über 100 m in die Erde eindringen. So konnte der Nachweis von Myonen z.B. dazu verwendet werden, die Cheops-Pyramide „zu durchleuchten“ und auf diese Art eine bis dato noch unbekannte Kammer nachweisen (Abb. 1, i).

Abb. 1. Nachweis eines Hohlraums (i) in der Cheops-Pyramide mittels Myon-Detektoren. Discovery of a big void in Khufu’s Pyramid by observation of cosmic-ray muons. K Morishima, M Kuno, M Tavoubi, Nature doi:10.1038/nature24647. Creative Commons Attribution 4.0 International License

Auch die havarierten Kernkraftwerke in Fukushima wurden bereits mittels dieser Myonentomographie analysiert (Abb. 2)

Abb. 2. Abbildung der Dichte von Atomkraftwerken (Fukushima) mittels atmosphärischen Myonen. 2012. Creative Commons CC BY License

Etwas einfachere Myon-Detektoren, als hier verwendet, standen uns im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit dem DESY-Zeuthen im Netzwerk Teilchenwelt zur Verfügung. Dies sind zum einen sog. CosMO-Platten. CosMO steht für Cosmic Muon Observer. Myonen, die mit dem hierin enthaltenen Szintillator wechselwirken, bewirken eine Lichtemission, die letztlich detektiert, verstärkt und gezählt wird (Abb. 3+6). Ein weiterer Detektortyp, die Kamiokanne, eine getunte Kaffeekanne, verwendet einfach Wasser. Auch hier entsteht Licht, wenn z.B. Myonen mit dem Wasser wechselwirken. Auch hier wird das Licht detektiert, in einen elektrischen Impuls umgewandelt und gezählt. Die Zählimpulse werden über eine Datenkarte gesammelt und an einen Rechner weitergeleitet, der die Daten mit einer dafür ausgelegten Software analysiert und aufbereitet.

Nach der Einführung haben wir am Montag bereits mit dem Aufbau der Experimente begonnen. Das waren drei Experimente a) zum Zerfall von Myonen, b) zur Geschwindigkeit der Myonen und c) zur Richtung, aus der die Myonen kommen.

a) Zerfall von Myonen. Myonen, im Gegensatz zu Elektronen, sind nicht stabil, sondern haben eine sehr kurze Halbwertszeit von nur 2,2 µs. Dabei „zerfällt“ es u.a. in ein Elektron. Zum  Nachweis eines solchen Ereignisses wurden drei CosMO-Platten direkt übereinander gelegt (Abb. 3) und so angeschlossen, dass jeweils ein Signal in den beiden oberen Detektoren auftreten müssen und im untersten kein Signal auftreten darf. Das Signal in der ersten Platte stammt dann von einem Myon und das Signal in der zweiten Platte von dem Elektron, in das es zerfallen ist. Wird in der dritten Platte ebenfalls ein Signal gemessen, wird

Abb. 3. Oben: Aufbauschema für Myon-Zerfall mit 3 CosMO-Platten und Nachweisereignisse von Myon in oberster und Elektron in mittlerer Platte; letzte Platte ohne Nachweisereignis. Rechts: Aufbau real mit drei Platten (oberste Platte unter dem Rechner verdeckt) und der Datenkarte (links) – und vielen Kabeln.

Auf dem Monitor in Abb. 3 ist die erhaltene Verteilung gemessener Zerfallszeiten dargestellt. Am Cosmic Day hatten wir einen Wert von 1,4±0,68 µs erhalten – das  trifft zwar nicht ganz den theoretischen Wert, aber dafür war die Messdauer auch zu kurz, um Daten mit höherer statistischer Signifikanz zu erhalten.

b) Das Experiment zur Geschwindigkeitsmessung von Myonen haben wir ebenfalls mit CosMO-Platten durchgeführt, hier allerdings mit zweien, die in einem Abstand von 3,19 m im Dachboden aufgebaut wurden (Abb. 4). Hier waren nur Doppelereignisse in beiden Platten zugelassen. So konnte die Geschwindigkeit mit dem bekannten Abstand und der gemessenen Zeit, die ein Myon für die Strecke von der ersten bis zur zweiten Detektor-Platte benötigt, berechnet werden. Am Cosmic Day hatten wir hier Werte von 95 % der Lichtgeschwindigkeit gemessen, allerdings mit einer sehr hohen und untypischen Streuung erhalten (Abb. 5).

Abb. 4. Aufbau zur Geschwindigkeitsmessung von Myonen und Einstellungen der Software.

Abb. 5. Ergebnisse der Geschwindigkeitsmessung von Myonen. Verteilung von Myonen, die die Messstrecke in unterschiedlichen Zeiten durchlaufen haben. Der Peak liegt bei einer Zeit von 11,24 ns. Bei einer Messstrecke von 3,19 m ergibt sich eine Geschwindigkeit von 286 Mio m/s, das entspricht 95 % der Lichtgeschwindigkeit (c).

Der theoretische Wert der Myonengeschwindigkeit liegt bei 299,7 Mio m/s, das entspricht 99,96 % der Lichtgeschwindigkeit. Das gewichtete Mittel der eigenen Messungen kommt dem theoretischen Wert also recht nahe. Allerdings ist auch zu erkennen, dass es Zählereignisse gibt, die hier z.B. nur 5 ns benötigen – das entspräche dann einer Geschwindigkeit, die über dem Doppelten der Lichtgeschwindigkeit liegt. Dies zeigt natürlich nicht, dass Teilchen mit solchen Geschwindigkeiten existieren, sondern dass Apparatur und Anordnung auch fehlerhafte Ereignisse messen.

Abb. 6. Zenitwinkel-Messung mit 2 CosMO-Platten, an die Enden eines Kunsstoffkorbs geklebt und die gesamte Apparatur um 45° gekppt.

c) Für die Bestimmung der Richtung, aus der die meisten Myonen kommen, wurden immer zwei Detektoren, CosMO-Platten oder Kamiokannen, in einem gleichbleibenden Abstand, aber in unterschiedlichen Winkeln zum Zenit angeordnet. Die gemessenen Zählraten pro Zeiteinheit wurden dann gegen den jeweiligen „Zenitwinkel“ aufgetragen. Die CosMO-Platten wurden mit einem festen Abstand von 43 cm angeordnet, wobei eine Winkeleinstellung für 20 min gemessen wurde (Abb. 6). Die Kamiokannen-Detektoren wurden in einem Abstand von 77 cm angeordnet und für die verschiedenen Winkeleinstellungen jeweils für 30 min gemessen. Beide Anordnungen zeigten, dass die gemessene Myonenrate mit zunehmendem Zenit-Winkel abnahm (Abb. 7). Dies wird nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass Myonen, die z.B. „waagerecht“ einstrahlen, also senkrecht zum Zenit, einen viel weiteren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen müssen (Abb. 8). Bei der kurzen Halbwertszeit von Myonen wird deutlich, dass sie den Weg „senkrecht“ (also mit 0° zum Zenit) bis zur Erdoberfläche noch schaffen, nicht aber bei 90°. Theoretisch sollte die Abnahme einer cos2-Funktion folgen – dies wurde teilweise erreicht (Abb. 7).

Abb. 7. Myonenrate in Abhängigkeit vom Zenitwinkel sowie cos2-Funktion zum Vergleich.

Abb. 8. Zenitwinkel-Messung mit 2 CosMO-Platten, an die Enden einer Kunststoffkiste geklebt und die gesamte Apparatur um 45° gekippt.

Alle Ergebnisse der beiden Tage wurden in Teamwork zusammengetragen und zu einer Präsentation ausgearbeitet, die dann zum Abschluss in einer vom DESY Zeuthen organisierten Videokonferenz vorgestellt und diskutiert wurde. In unserem Time Slot präsentierten in diesem Jahr weitere Gruppen aus Italien und Frankreich. Solche Slots gab es über den ganzen Tag verteilt und umfasste auch Gruppen z.B. aus den USA oder China. Unsere Konferenz war sehr aufschlussreichen – wir konnte so auch noch andere Experiment-Aufbauten kennenlernen, die aber auch alle die Messung von Myonen zum Ziel hatten. Indem wir bei der Auseinandersetzung mit dem Thema auch auf Zukunftspläne und Ziele großer internationaler Projekte eingegangen sind, haben wir viel über die Wichtigkeit von Grundlagenforschung, die Herausforderungen, sowie die Ideen hinter den Projekten erfahren.

Während der beiden Projekttage haben wir sehr effektiv zusammengearbeitet und wurden dabei auch von den Alumni des Vorjahres tatkräftig unterstützt. Unser gemeinsames Projekt war erfolgreich und der Austausch mit den anderen Forschungsgruppen war sehr interessant. Abschließend kann man sagen, dass die Teilnahme am International Cosmic Day ein tolles und abwechslungsreiches Projekt für uns alle war und wir unser Wissen über die Astrophysik erweitern und festigen konnten.

Anna S.